Begonnen hat alles mit einem Ginkgoblatt im Herbst 2015. Es war ein Auftrag für die Ausstellung „Wunder der Natur“ im Gasometer in Oberhausen. Die Herausforderung: Das Foto sollte quadratisch 2 x 2 Meter ausgedruckt werden. Offenbar machten wir unsere Arbeit gut, denn sechs weitere Fotos von uns wurden in die Ausstellung übernommen. Mehr als 1 Millionen Besucher haben die Ausstellung gesehen.

Die fototechnischen Anforderungen bei Makros sind hoch, wenn man maximale Qualität erreichen will. Wir arbeiten deshalb in einem speziell eingerichteten Makrostudio. Da man mit 1 Foto dreidimensionale Objekte nicht durchgehend scharf abbilden kann, verrechnen wir bis zu 150 Schärfe-Ebenen. Dadurch entstehen große Datenmengen (20-40 Gigabyte pro Motiv), die den kompletten Workflow aufwändig machen.

Das Technische ist faszinierend. Aber die Wahl des Motivs und seine spannende lichttechnische Inszenierung ist die wahre fotografische Aufgabe. Schnell bemerkten wir, dass im Thema „Makro“ mehr steckt. Der Blick in die kleinen Strukturen der Welt zeigte uns, dass es in der Natur offenbar Grundformen gibt, die sich gleichermaßen im Kleinen wie im Großen zeigen. Mit diesen Bauprinzipien bildet sich die pflanzliche und die tierische Welt. Doch auch Großformationen wie Gebirge werden so gestaltet.

So wurde aus der Fotografie plötzlich fotografische Forschung. Pflanzen, Tierisches, Gestein – überall suchten wir nach charakteristischen Formungen, nach formtypischen Ausprägungen. Das waren nicht mehr Makros, wie sie in den Fotolehrbüchern beschrieben werden. Mit unserem forschenden Blick in die kleine Welt wurde uns deutlich, dass die üblichen Grenzen von belebter und unbelebter Natur nur willkürlich sind. In Wahrheit durchdringen und überlappen sich die verschiedenen Lebensformen. Ihre unterschiedlichen Lebenszyklen greifen ineinander, wobei Pilze und Schimmel eine ganz besonders interessante Rolle spielen.

Im Original ist diese kleine grüne Pflanze etwa 3-4 mm groß. Sie wächst auf einem vermoderten Baumpilz. Wachsen und Zerfall wirken unmittelbar ineinander. Unsere Forschungsfrage lautete schließlich: Was passiert, wenn Lebenskräfte in Materie einwirken? Was kann man dann sehen, was darin erkennen? So wurde aus Makrofotografie die Makrosophie.

Die an der Natur gewonnenen Erfahrungen haben wir in einem nächsten Schritt auf Menschengemachtes übertragen, also auch auf technische Gegenstände. Wir haben gelernt, wie wir mit Hilfe aufwändiger Lichtsetzung Objekte „lebendig“ werden lassen, wie wir ihre Dramatik entdecken und zeigen können. Großformatig ausgedruckt, in geradezu unheimlicher Schärfe und Detailgenauigkeit, verzaubern sie das Auge des Betrachters. Man kann sich nicht satt sehen daran, entdeckt immer wieder Neues in den Bildern. Sie sind Dokumente und Kunst zugleich.

Ausschnitt aus einem Piko-Stellmotor, der in einem Plastikgehäuse eingebaut ist.